Deutsches Team

Sind die DFB-Frauen bereit für die K.o.-Spiele?

von Florian Neuhauss aus Grenoble

Die DFB-Frauen haben mit dem Gruppensieg ihr erstes Zwischenziel erreicht - nicht mehr und nicht weniger. Das Team ist selbst noch nicht zufrieden, Kritik ist sogar ausdrücklich erwünscht.

Womöglich ist es einfach eine Frage der Erwartungshaltung. Auch wenn die deutsche Mannschaft bei der EM 2017 im Viertelfinale gescheitert und beim SheBelieves Cup im vergangenen Jahr Letzter geworden ist, erwarten alle mehr von den DFB-Frauen, als sie bisher bei dieser WM gezeigt haben. Nicht nur die Öffentlichkeit oder die Fans, bei denen nach dem 4:0-Sieg gegen Südafrika in Montpellier keine Feierlaune aufgekommen war. "Ich finde, dass es eine deutsche Tugend ist, nie ganz zufrieden zu sein", betonte auch Mittelfeldspielerin Melanie Leupolz und Martina Voss-Tecklenburg betonte: "Ich bin als Trainerin nie zufrieden. Ich würde vom Team nie etwas einfordern, was es nicht leisten kann. Aber ich weiß, dass wir noch vieles besser machen können." Und das müssen sie auch, sonst könnte es für die DFB-Frauen nach mittlerweile 14 Länderspielen in Folge ohne Niederlage schnell ein böses Erwachen geben - egal gegen wen es im Achtelfinale geht. Sportschau.de beleuchtet die Problemfelder:

Spielerisches

"Wir haben uns kontinuierlich gesteigert und gegen Südafrika einen Schritt nach vorne gemacht", stellte Leupolz nach dem abschließenden Gruppenspiel fest und hatte damit nicht Unrecht. Nach der spielerischen Magerkost zum Auftakt gegen China und dann auch gegen Spanien ließen Leupolz und Co. gegen Südafrika immer wieder den Ball und damit auch den Gegner laufen. "MVT" hatte "phasenweise ganz schöne Stafetten gesehen". Besonders der dritte Treffer hatte es der Bundestrainerin angetan: Sara Däbritz entblößte mit ihrem Pass die südafrikanische Abwehr, Giulia Gwinn flankte frei von der rechten Seite und Alexandra Popp köpfte in der Mitte ein. "Da haben wir gezeigt, wie gefährlich wir sein können." Es gibt jedoch ein großes Aber: Südafrika war objektiv betrachtet bisher der schwächste Gegner - und dafür waren solche Szenen noch viel zu selten.

Chancenverwertung

Deutschlands Alexandra Popp (l.) und Marina Hegering bejubeln einen Treffer. © dpa-Bildfunk Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Alexandra Popp (l.) fiel nach ihrem Tor gegen Südafrika "ein kleiner Stein vom Herzen".

Voss-Tecklenburg hat der Mannschaft aufgetragen, immer aktiv zu sein, den Gegner oft früh zu stören und nach Ballgewinn schnell vorne zum Abschluss zu kommen. Was teilweise - besonders in der Vorbereitung - nach einer guten Idee aussah, war bei der WM bisher kaum zu sehen. Immerhin: Unter der neuen Bundestrainerin gab es noch kein Spiel ohne eigenes Tor. Durch das Südafrika-Spiel ist der Durchschnitt der Tore pro Spiel auf 1,86 gestiegen. Dass es unter Horst Hrubesch noch 3,63 Tore pro Partie waren, hat auf jeden Fall mit der Qualität der Gegner zu tun. "MVT" hatte zur Vorbereitung auf die WM bewusst auf starke Gegner gesetzt, um das Team schnell auf Betriebstemperatur zu bringen.

Doch die Chancen hätten auf jeden Fall trotzdem für mehr Tore reichen müssen. Nicht von ungefähr sagte Kapitänin Popp nach ihrem ersten Turniertor: "Mir ist es eigentlich wumpe, wer trifft. Aber mir ist schon ein kleiner Stein vom Herzen gefallen, nachdem ich den Ball bei meiner Chance vorher noch aus fünf Metern über die Latte geschoben hatte."

Abwehrverhalten

Die beiden ersten Spiele mit deutscher Beteiligung waren nichts für schwache Nerven. Sowohl im Spiel gegen China als auch gegen die Spanierinnen klafften riesige Lücken in der Defensive um Marina Hegering und Sara Doorsoun. Einmal konnten die DFB-Frauen in der Halbzeit den Schalter umlegen, in der zweiten Partie reichte schon eine Verletzungsunterbrechung, um den Resetknopf zu drücken.

Gegen Südafrika sah es lange sehr gut aus, aber in der Schlussphase rückte unverhofft noch mal Almuth Schult in den Mittelpunkt. "Ich habe nichts dagegen, in einem Spiel auch mal nichts zu tun zu bekommen", meinte die Torhüterin grinsend. Die Bundestrainerin bemängelte, das Team habe die Balance zwischen Offensive und Defensive verloren. Immerhin mag man ihren Schützlingen zugutehalten, dass die Partie da längst entschieden war und es endlich mit dem Erspielen von Chancen klappte - wenn auch keine weiteren Tore gelangen.

Ausblick

Mit einem Einsatz im Achtelfinale würde Popp in den 100er-Club der DFB-Frauen aufsteigen. "Ich freue mich sehr aufs Jubiläum und bin gespannt", sagte die 28-Jährige, die in der Rekordliste auf Platz 26 rangiert. "Vielleicht waren die Nervosität und der Druck in den ersten Spielen zu groß. Jetzt sind wir bereit für die K.o.-Phase", ist die Wolfsburgerin überzeugt. Wie es mit einem guten vierten Auftritt klappen könnte, weiß Däbritz, die mit ihren zwei Toren die bisher treffsicherste deutsche Spielerin ist: "Ich denke, wir brauchen eine Mischung aus allen drei Spielen."

Auch wenn es gegen China und Spanien noch am Spielerischen, der Chancenverwertung und dem Abwehrverhalten haperte, wurden die Duelle trotzdem gewonnen. Wie? Durch Moral und harte Arbeit. Und auch darauf wird es in den engen K.o.-Spielen ankommen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | FIFA Frauen WM 2019 | 08.06.2019 | 16:00 Uhr

Stand: 19.06.19 14:32 Uhr