Frust bei der deutschen Fußball-Nationalspielerin Celia Sasic (r.) nach ihrem verschossenen Elfmeter im Semifinale gegen die USA © imago/Xinhua

Kanada 2015

Game over: Deutschland scheitert an den USA

Nach der verpatzten Heim-WM 2011 wollte Deutschland vier Jahre später in Kanada den Traum von der dritten Weltmeisterschaft verwirklichen. Die USA standen diesem Vorhaben im Wege. Im Semifinale schied das DFB-Team gegen den späteren Turniersieger aus.

Eine gefühlte Ewigkeit musste Celia Sasic an diesem Dienstagabend des 30. Juni 2015 warten, bis sie zum Strafstoß anlaufen durfte. Hope Solo, Schlussfrau des deutschen Halbfinal-Gegners USA, weigerte sich zunächst, den Platz in ihrem Gehäuse einzunehmen. Die Skandalnudel stand nach dem Elfmeterpfiff von Schiedsrichterin Teodora Albon (Rumänien) rund drei Minuten etwa 20 Meter entfernt vom Tor und kehrte erst nach einer Ermahnung der Unparteiischen zu ihrem Arbeitsplatz zurück. Solos psychologische Kriegsführung zeigte bei Sasic Wirkung. Die sonst vom Punkt aus so sichere Schützin, die im Viertelfinale gegen Frankreich noch zwei Penaltys verwandelt hatte, zielte links daneben (63.). Vertan war die große Möglichkeit für den Rekordeuropameister zum 1:0. Und damit auch die Gelegenheit, "das Ganze vielleicht eine andere Richtung zu lenken", wie die tragische Heldin später meinte. Denn eine Führung des DFB-Teams gegen die überlegene US-Auswahl wäre glücklich gewesen.

Fehlentscheidung bringt DFB-Team auf Verliererstraße

Es war nicht die einzige bittere Pille, die Deutschland vor 51.176 überwiegend mit den Amerikanerinnen sympathisierenden Zuschauern im Olympiastadion zu Montréal schlucken musste. So geriet die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid durch eine krasse Fehlentscheidung auf die Verliererstraße. Schiedsrichterin Albon entschied nach einem Foul von Annike Krahn an Alex Morgan auf Elfmeter, obwohl das Vergehen deutlich sichtbar vor dem Strafraum begangen wurde. Carli Llloyd verlud die bis dahin überragende Schlussfrau Nadine Angerer (69.) zum 1:0. Als die eingewechselte Kelley O'Hara kurz vor Ultimo erhöhte (84.), war der Traum des DFB-Teams vom dritten WM-Titel geplatzt. "Da war mehr möglich. Mit ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, Zweikampfstärke und Mut hätten wir vielleicht auch gegen die USA gewinnen können. Unter dem Strich muss man aber sagen, dass die USA schon die bessere Mannschaft waren", sagte Neid rückblickend.

Furioser Start gegen die Elfenbeinküste

Die deutschen Fußballerinnen bejubeln einen Treffer beim 10:0-Sieg im WM-Gruppenspiel 2015 gegen die Elfenbeinküste © imago/foto2press

Das DFB-Team bejubelte gegen die Elfenbeinküste zehn Tore.

Ihre letzte WM als Bundestrainerin - Neid hörte nach dem Olympiasieg in Rio 2016 auf -, begann vielversprechend. Im ersten Gruppenspiel deklassierte Deutschland die Elfenbeinküste am 7. Juni in Ottawa mit 10:0 (5:0). Sasic und Anja Mittag waren beim Kantersieg gegen die allerdings auch hoffnungslos überforderten Ivorerinnen je dreimal erfolgreich. Melanie Behringer (zwei Tore), Alexandra Popp, Sara Däbritz und Simone Laudehr steuerten die übrigen Treffer bei. Dem tollen Auftakt folgte vier Tage später der erste Dämpfer. Gegen Norwegen kam der Rekordeuropameister trotz früher Führung durch Mittag (6.) nicht über ein 1:1 (1:0) hinaus.

"Das Schwierigste war der Kunstrasen"

So musste das DFB-Team das letzte Gruppenspiel gegen Thailand unbedingt gewinnen, um als Erster der Staffel B in die Runde der letzten 16 einzuziehen. Es gelang. Der krasse Außenseiter wurde am 15. Juni in Winnipeg durch Tore von Lena Petermann (2), Melanie Leupolz und Däbritz mit 4:0 (1:0) bezwungen. Berauschend war es allerdings nicht, was die Neid-Equipe vor 26.191 Zuschauern zeigte. Ob es am ungewohnten Untergrund lag? Erstmals wurde in Kanada eine WM auf Plastikgrün ausgetragen. "Das Schwierigste für alle, den Spielfluss und die Attraktivität des Spiels war der Kunstrasen, weil sich schon das ganze Spiel verlangsamt hat", meinte Neid.

Achtelfinal-Gala gegen Schweden

Die deutsche Fußball-Nationalspielerin Simone Laudehr (l.) im Duell mit der Schwedin Therese Sjögran © imago/foto2press

Simone Laudehr (l.) und Co. schlugen Schweden klar mit 4:1.

Im Achtelfinale wartete in Schweden ein von der Papierform her sehr schwerer Gegner auf Deutschland. Allerdings waren die Skandinavierinnen ohne Sieg nur als einer der vier besten Gruppendritten in die Runde der letzten 16 eingezogen. Die Favoritenrolle im Duell der beiden ewigen Rivalen nahm dementsprechend das DFB-Team ein. Und dieser wurde die Neid-Equipe am 20. Juni in Ottawa auch gerecht. 4:1 (2:0) hieß es nach 90 überwiegend einseitigen Minuten. Zweimal Sasic (davon ein Strafstoß), Mittag und Dzsenifer Marozsán krönten den besten deutschen Auftritt bei dieser WM mit ihren Toren.

Während der Rekordeuropameister weiter vom Titel träumen durfte, scheiterten in Brasilien (0:1 gegen Australien) und Norwegen, das England 1:2 unterlag, zwei Teams aus dem erweiterten Favoritenkreis überraschend früh. Die USA, Gastgeber Kanada, Japan, China und Frankreich kamen hingegen weiter.

Angerer Heldin des Elfmeter-Krimis

Deutschland kämpfte am 26. Juni in Montréal mit den Französinnen um das Halbfinal-Ticket. Und "Les Bleues" war ein ganz anderes Kaliber als Schweden, wie sich schnell herausstellte. Das Neid-Team musste gegen einen spielerisch überlegenen Kontrahenten in der Defensive Schwerstarbeit verrichten, konnte den Rückstand durch Louisa Necib aber nicht verhindern (64.). Nun waren Moral und vor allem fußballerische Lösungen gefragt, die das DFB-Ensemble bis dahin nicht gefunden hatte. Vieles blieb in der Vorwärtsbewegung auch in der Folge schwerfällig. Ein Elfmetertor von Sasic (84.) rettete den Rekordeuropameister schließlich in die Verlängerung, die torlos blieb.

Also musste die Entscheidung vom Punkt aus fallen. Ein Spielfilm so recht nach dem Geschmack von Angerer. Die nervenstarke Torfrau avancierte dann auch zur Heldin, in dem sie den Versuch von Claire Lavogez parierte und so für Deutschlands 5:4-Erfolg im Elfmeterschießen sorgte. Alle anderen Schützinnen hatten getroffen.

England gewinnt kleines Finale

Neben Deutschland und den USA (1:0 gegen China) zogen noch Titelverteidiger Japan, das Australien 1:0 schlug, sowie England (2:1 gegen Kanada) ins Halbfinale ein. Die "Three Lionesses" waren gewiss die größte Überraschung des Turniers. Auch gegen Japan hielten die Britinnen prächtig mit, unterlagen aber schließlich mit 1:2, sodass sie am 4. Juli in Edmonton gegen das DFB-Team um Bronze spielten. Einen Fußball-Leckerbissen bekamen die 21.483 Zuschauer dabei nicht zu sehen. Beide Mannschaften vermochten es nur selten, Struktur in ihr Spiel zu bekommen. Die Entscheidung fiel dann auch erst in der Verlängerung: Fara Williams traf per Strafstoß (108.) zu Englands 1:0-Sieg. "Es war vielleicht einfach nicht unsere WM - zumindest gegen Ende nicht", analysierte Stürmerin Popp treffend.

USA überrollen im Endspiel Japan

Für die USA war es hingegen die perfekte Weltmeisterschaft. Mit einem 5:2 (4:1)-Sieg gegen Japan setzte sich die Mannschaft von Trainerin Jill Ellis am 5. Juli in Vancouver die Krone auf. Bereits nach 16 Minuten war die Begegnung vor 53.341 Zuschauern nach Treffern von Lloyd (3., 5., 16.), und Lauren Holiday (14.) vorentschieden. Die Asiatinnen kamen durch Yuki Ogimi (27.) und ein Eigentor von Julie Johnston (52.) zwar noch einmal heran. Tobin Heath nahm dem Titelverteidiger dann aber mit dem fünften amerikanischen Treffer (54.) endgültig den Wind aus den Segeln. "Das konnte ich mir so natürlich nicht vorstellen. Aber ich wusste, dass diese Spielerinnen so etwas abliefern können. Sie sind dafür geboren. Je mehr Druck es gab, desto besser wurden sie", lobte Ellis ihr Team. Für die USA war es dritte Weltmeisterschaftsgewinn.

Dieses Thema im Programm:

FIFA Frauen WM 2019 | 08.06.2019 | 16:00 Uhr

Stand: 26.04.19 15:31 Uhr