Die brasilianische Nationalspielerin Marta nach dem WM-Finale 2007 in China © imago/Ulmer

China 2007

Das perfekte Turnier: DFB-Team verteidigt Titel

Deutschland schrieb bei der WM 2007 in China Fußball-Geschichte. Erstmals gelang es einem Land, seinen Titel zu verteidigen. Zudem feierte die DFB-Auswahl mit dem 11:0-Auftakterfolg gegen Argentinien den höchsten Sieg in der Weltmeisterschaftshistorie und blieb im gesamten Turnierverlauf ohne Gegentreffer.

Es war einsam geworden um Marta Vieira da Silva. Ganz allein saß die brasilianische Ausnahmespielerin nach dem verlorenen WM-Endspiel gegen Deutschland auf dem mit Konfetti bedeckten Rasen des Shanghai-Hongkou-Stadions. Die "Weltfußballerin" hatte ihre Arme auf die Knie gestützt und blickte minutenlang gen Boden. Die DFB-Auswahl hatte die Seleção und ihre von den Medien als "Magische Marta" gefeierte Kapitänin mit 2:0 entzaubert. Einige Meter neben der untröstlichen Edeltechnikerin lag Deutschlands Mannschaftsführerin Birgit Prinz auf dem Podest. Sie streckte alle Viere von sich und schaute in den Nachthimmel. Im Gegensatz zu Marta hatte die Angreiferin dabei ein Lächeln im Gesicht. Eines, das Erleichterung und Freude zugleich ausdrückte. Denn mit der Titelverteidigung des Rekord-Europameisters war im Vorfeld der WM nicht unbedingt zu rechnen gewesen.

Neid-Team vor WM-Beginn in der Kritik

Die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid, die nach dem EM-Gewinn 2005 in EnglandTina Theune-Meyer abgelöst hatte, musste sich nach ihrem enttäuschenden Abschneiden beim prestigeträchtigen Algarve-Cup im März 2007 viel Kritik gefallen lassen. Lediglich zu Rang acht hatte es für die DFB-Auswahl bei der hochkarätig besetzten Veranstaltung in Portugal gelangt. Trotz allen öffentlichen Gegenwinds und Forderungen, Veränderungen im Kader vorzunehmen, vertraute Neid für die Titelkämpfe in China auf weitgehend bewährtes Personal. Und auch die Mannschaft zeigte sich unbeeindruckt von den Nörglern. "Wir sind hier, um die WM zu gewinnen. Wir haben keine Angst", erklärte Kerstin Garefrekes. Selbstbewusste Worte, denen ebensolche Taten folgen sollten.

DFB-Auswahl startet mit Kantersieg

Zum Auftakt der Gruppe A traf Deutschland am 10. September in Shanghai auf Argentinien. Die Südamerikanerinnen hatten dem Angriffswirbel der Neid-Elf von Beginn an nur Härte entgegenzusetzen. Schiedsrichterin Tammy Nicole Ogston (Australien) sorgte mit zwei frühen Verwarnungen für Rosana Gomez und Gabriela Chavez jedoch dafür, dass sich der Außenseiter etwas zurücknahm. Das machte die Aufgabe für den Rekord-Europameister noch einfacher. Am Ende schlug ein 11:0-Erfolg zu Buche - der höchste Sieg aller Zeiten bei einer Frauen-WM. Prinz und Sandra Smisek schlugen jeweils dreimal zu. Zudem waren Melanie Behringer und Renate Lingor (je zweimal) sowie Garefrekes erfolgreich. Anschließend gab es beim 0:0 gegen England zwar einen kleinen Dämpfer. Der 2:0-Sieg gegen Japan (Tore durch Prinz und einen Strafstoß von Lingor) sicherte Deutschland aber den Gruppensieg.

Hart erkämpfter Erfolg gegen Nordkorea

Deutschlands Keeperin Nadine Angerer im Duell mit der Nordkoreanerin Kim Yong Ae © imago/Ulmer

Deutschlands Keeperin Nadine Angerer blieb - wie hier gegen Nordkorea - die gesamte WM über ohne Gegentor.

Im Viertelfinale wartete mit Nordkorea ein Geheimfavorit auf den Titelverteidiger. Die Asiatinnen hatten in der "Todesgruppe" B Rang zwei hinter den USA belegt und dabei Schweden und Nigeria hinter sich gelassen. 37.200 Zuschauer in Wuhan sahen am 22. September dann auch eine umkämpfte Partie mit Chancen auf beiden Seiten. Kurz vor dem Seitenwechsel brachte Garefrekes Deutschland mit dem 1:0 auf die Siegerstraße (42.). Nordkorea drängte im zweiten Abschnitt zwar vehement auf den Ausgleich. Mit etwas Fortune und einer überragenden Torhüterin Nadine Angerer zwischen den Pfosten verteidigte die DFB-Auswahl aber den Vorsprung. Ein Doppelschlag durch Lingor (68.) und Annike Krahn (72.) sorgte schließlich für die Entscheidung. Neben dem Neid-Team zogen Norwegen (1:0 gegen China), Brasilien (3:2 gegen Australien) sowie die USA (3:0 gegen England) in die Vorschlussrunde ein.

Deutschland ganz cool - Seleção begeistert

Die deutsche Nationalspielerin Renate Lingor (l.) im Duell mit der Norwegerin Solveig Gulbrandsen © imago/Ulmer

Renate Lingor (l.) und das DFB-Team gewannen die Neuauflage des EM-Endspiels 2005 gegen Norwegen.

Im Semifinale kam es zur Neuauflage des EM-Endspiels von 2005 in England zwischen Deutschland und Norwegen. Die Skandinavierinnen wollten Revanche nehmen für die 1:3-Niederlage im Mutterland des Fußballs. Doch sie brachten sich selbst durch ein Eigentor auf die Verliererstraße: Trine Ronning bugsierte eine Prinz-Flanke ins Gehäuse (42.). Die deutsche Kapitänin bereitete auch den zweiten Treffer von Kerstin Stegemann mustergültig vor (72.). Damit war die Moral der Norwegerinnen gebrochen. Den Schlusspunkt unter das Duell der ewigen Rivalen setzte Martina Müller, die einen zu kurzen Rückpass der eingewechselten Siri Nordby zum 3:0-Endstand verwertete (75.). Im anderen Vorschlussrunden-Duell setzte sich Brasilien dank der überragenden zweifachen Torschützin Marta mit 4:0 gegen die USA durch. Die Seleção untermauerte mit einer überragenden Leistung ihre Titelambitionen.

Marta mit feinen Soli, aber ohne Treffer

Die Südamerikanerinnen reisten selbstbewusst und siegessicher zum Finale am 30. September in Shanghai. Vor dem Einlaufen beider Mannschaften ins Stadion tanzten und sangen sie, während die deutschen Spielerinnen konzentriert und wortlos auf den Anpfiff warteten. Letztere Vorbereitung erwies sich zunächst als die bessere. Garefrekes und Smisek besaßen vor 31.000 Zuschauern die ersten Gelegenheiten. Doch Brasilien fand zunehmend besser ins Spiel. Daniela verfehlte mit einem Pfostenschuss nur knapp die Führung. Und Marta stellte die deutschen Verteidigerinnen mit teils atemberaubenden Soli vor große Schwierigkeiten. Tore aber fielen in den ersten 45 Minuten nicht.

Angerer hält Elfmeter - Prinz und Laudehr treffen

Torjubel bei den deutschen Nationalspielerinnen Simone Laudehr (l.) und Martina Müller © imago/Ulmer

Simone Laudehr (l.) erzielte den 2:0-Endstand im Finale gegen Brasilien.

Nach dem Seitenwechsel hatte Deutschland wie in der ersten Hälfte die erste Möglichkeit. Und diesmal führte sie zum Erfolg: Smisek passte von der rechten Seite präzise zu Prinz, deren Schuss im kurzen Eck einschlug (52.). Die brasilianische Keeperin Andreia hinterließ beim 1:0 einen unglücklichen Eindruck. Ganz anders elf Minuten später Angerer auf der Gegenseite. Deutschlands Nummer eins entschärfte einen Strafstoß von Marta. Linda Bresonik hatte Christiane zu Fall gebracht. "Als Marta den Elfmeter verschossen hat, war mir klar, dass wir gewinnen", verriet Neid später. Die Bundestrainerin und ihre Akteurinnen mussten aber noch bis kurz vor Schluss zittern. Dann erlöste Simone Laudehr die DFB-Elf mit einem Kopfball nach einer Ecke von Lingor (86.).

"Sind zu Recht wieder Weltmeister geworden"

Die deutschen Fußballerinnen bejubeln den WM-Sieg 2007 © imago/Ulmer

Das DFB-Team bejubelte in China die WM-Titelverteidigung.

Der Rest war grenzenloser Jubel. "Wir sind zu Recht wieder Weltmeister geworden", meinte Angerer, die als beste WM-Torhüterin ausgezeichnet wurde. "Es war das perfekte Turnier", lobte Neid ihre Mannschaft. DFB-Präsident Theo Zwanziger gratulierte Prinz und Co. mit tränenerstickter Stimme: "Das ist einer der schönsten Tage in meinem Leben." Und die untröstliche Marta? Brasiliens Superstar zeigte im Moment ihrer wohl bittersten Niederlage wahre Größe. "Der Sieg Deutschlands ist verdient. Wir waren vielleicht ein wenig überheblich, waren uns zu sicher. Deshalb haben wir vielleicht ein bisschen den Rhythmus verloren", erklärte die "Weltfußballerin" und ergänzte: "Wir bauen jetzt auf Olympia." Aber auch knapp ein Jahr später in Peking waren sie und die Brasilianerinnen nur zweite Sieger. Im Finale der Sommerspiele unterlag die Seleção den USA mit 0:1 nach Verlängerung.

Dieses Thema im Programm:

FIFA Frauen WM 2019 | 08.06.2019 | 16:00 Uhr

Stand: 23.04.19 14:34 Uhr