Deutschlands Spielerinnen sind frustriert. © imago images / Bildbyran

Deutsches Team

WM- und Olympia-Aus - weil "der Siegeswille fehlte"

von Florian Neuhauss aus Rennes

Die DFB-Frauen haben gegen Schweden nach starkem Beginn enttäuscht. Vom großen Siegeswillen der ersten WM-Spiele war im Viertelfinale nichts zu sehen - mit weitreichenden Folgen.

Schimpfen über den individuellen Fehler vor dem Ausgleich, über ein Foulspiel vor dem zweiten Gegentreffer oder Hadern mit fehlendem Spielglück? Für Almuth Schult kam das alles nicht infrage. "Das Enttäuschendste für mich ist, dass der Siegeswille, der uns in den anderen Partien noch ausgezeichnet hat, diesmal nicht so da war", sagte die deutsche Nationaltorhüterin nach der 1:2-Niederlage gegen Schweden. "Uns haben ein paar Prozent gefehlt."

Ausgerechnet im so wichtigen Viertelfinale - mit einem Sieg hätten die DFB-Frauen das Ticket für Olympia 2020 gebucht. "Die Enttäuschung ist riesengroß", meinte die 28-Jährige, die auch gegen die Skandinavierinnen einige gute Paraden gezeigt hatte. "Dass wir in Tokio unseren Titel nicht verteidigen können, ist noch mal extra schade."

Bittere Tränen bei Jung und Alt

Während Schult die Leistung der Mannschaft gewohnt sachlich und gefasst analysierte, wurden viele andere Spielerinnen von ihren Emotionen übermannt. Egal, ob Jung oder Alt. Bei der 33-jährigen Lena Goeßling flossen genauso Tränen wie bei Giulia Gwinn und Lena Oberdorf. Während die Teenager ihre Karriere noch vor sich haben und mit beherzten Auftritten in Frankreich die Zukunft durchaus rosig erscheinen lassen, dürfte unter anderem Goeßling gemeint gewesen sein, als Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach dem WM-Aus den Abschied der einen oder anderen Spielerin ankündigte.

Vergebliche Hoffnung auf einen Videobeweis

Die Zukunft hat bereits begonnen: Voss-Tecklenburg hat den Youngstern bewusst und nach den gezeigten Leistungen auch vollkommen zu Recht schon viel Einsatzzeit geschenkt. Dass ausgerechnet die "Unerfahrenen" nun patzten, ist schlicht bitter. "Ich musste rückwärts laufen und bin nicht richtig zum Kopfball hochgekommen", sagte Abwehrchefin Marina Hegering, die erst kurz vor der WM ihr Nationalmannschaftsdebüt gefeiert hatte und nach dem Fehler nur noch hinterhergucken konnte, wie Sofia Jakobsson zum Ausgleich traf. "Wir haben total den Spielfluss verloren und waren dann immer einen Schritt zu spät", sagte die 19-jährige Gwinn, die sich vor dem zweiten Gegentor viel zu leicht hatte ausspielen lassen. Ihre Mitspielerinnen konnten in der Mitte dann nicht mehr klären.

Für Ärger sorgte allerdings die Entstehung des schwedischen Konters: "Meine Gegenspielerin ist mir auf den Fuß gestiegen - und wenn so was passiert, ist das ein Foul", ärgerte sich Lina Magull, die ihr Team mit einem herrlichen Treffer noch in Front gebracht hatte. Die Pfeife von Stephanie Frappart blieb allerdings stumm. Schult versuchte umgehend, die französische Schiedsrichterin davon zu überzeugen, sich die Szene noch einmal in der Review Area anzuschauen. Doch es gab keinen Videobeweis.

Deutsches Aufbäumen kommt viel zu spät

Allerdings war nach dem Tor zum 1:2 in der 48. Minute eigentlich noch viel Zeit, dem Spiel eine weitere Wendung zu geben. Allerdings kam erst in der Schlussphase wieder Torgefahr auf. Doch Oberdorf (88./"Den muss ich machen") vergab genauso wie Hegering (90.+3). Dass nicht mehr kam, lag auch am missglückten Comeback von Dzsenifer Marozsán, der nach ihrer Einwechslung die wochenlange Pause nach ihrem Zehenbruch im ersten WM-Spiel deutlich anzumerken war. Die Spielmacherin beteuerte zwar, dass sie keine Schmerzen gehabt habe, sie wirkte dennoch zumindest gehemmt.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass im entscheidenden Moment nicht nur der Siegeswille fehlte, sondern auch die zuvor oft gepriesene Variabilität. Mit Kapitänin Alexandra Popp und Sara Däbritz hatte "MVT" ihre beiden besten Offensivspielerinnen im defensiven Mittelfeld aufgeboten. Die Verletzung von Carolin Simon nahm der Bundestrainerin zudem eine wertvolle Wechseloption. So schien das DFB-Team in einer ungewohnten Ordnung gefangen, aus der es sich zu spät befreien konnte.

Historischer Erfolg für Schweden - deutsches Ziel 2021

Jubel bei der schwedischen Nationalspielerin Sofia Jakobsson © imago images / HMB-Media

Sofia Jakobsson brachte die Schwedinnen mit ihrem 1:1 zurück ins Spiel.

"Das war ein fantastisches Spiel", jubelte Torschützin Jakobsson. "Wir haben nach 24 Jahren wieder bei einem großen Turnier gegen Deutschland gewonnen. Das ist großartig." Dementsprechend groß fiel die Freude bei den Skandinavierinnen aus. Nur durch eine dünne Wand vom Interview-Bereich getrennt, feierten die Schwedinnen mit ohrenbetäubender Party-Musik ihren historischen Erfolg.

"Wir wissen ganz genau, was passiert ist. Es ist schwer, man fühlt sich leer", erklärte derweil Hegering kleinlaut. "Wir dürfen jetzt ein, zwei Tage traurig und enttäuscht sein, aber dann gucken wir wieder nach vorne. Und dann wird es sicher auch neue Ziele geben." Das nächste große Turnier, für das sich die deutschen Frauen qualifizieren können, ist die EM 2021 in England.

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Einzelkritik – Nur Schult gut gegen Schweden

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | FIFA Frauen WM 2019 | 29.06.2019 | 17:40 Uhr

Stand: 30.06.19 07:42 Uhr