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Nach Kritik an USA: Morddrohungen gegen TV-Expertin

Sind die Spielerinnen der USA mit ihrem Torjubel beim Kantersieg gegen Thailand übers Ziel hinausgeschossen? TV-Expertin Kaylyn Kyle findet schon, äußerte dies auch so und erhielt dafür Morddrohungen.

Es war die pure Freude, die aus dem Gesicht von Megan Rapinoe sprach. Die Angreiferin der US-amerikanischen Nationalmannschaft drehte nach ihrem Treffer im WM-Auftaktspiel des Titelverteidigers gegen Thailand jubelnd ab, lachte übers ganze Gesicht und warf die Arme in die Höhe. Hernach ließ sich die 33-Jährige von ihren Teamkameradinnen, die nicht minder begeistert waren, feiern. Wem der Spielstand nicht geläufig war, weil er vielleicht just in diesem Moment auf einem Empfangsgerät seiner Wahl zugeschaltet hatte, konnte glauben, der dreimalige Weltmeister sei gerade mit 1:0 in Führung gegangen.

Dem war jedoch nicht so. Rapinoes Treffer bedeutete das 9:0 (79.) in einer Partie, die für die USA maximal den Charakter eines Trainingsspiels hatte. Dass die Kickerinnen von Trainerin Jill Ellis dennoch auch ihre weiteren Tore zum 13:0-Endstand so ausgiebig feierten, mag für manch einen neutralen Beobachter zumindest verwunderlich gewesen sein. Die frühere kanadische Nationalspielerin Kaylyn Kyle übte in ihrer Funktion als Expertin für den Fernsehsender "The Sports Network" (TSN) harsche Kritik daran und erhielt dafür nach eigener Aussage Morddrohungen.

"Für mich respektlos und schändlich"

Die früheren kanadischen Nationalspielerinnen Kaylyn Kyle und Carmelina Moscato (v.l., Foto aus dem Jahr 2014) © picture alliance / empics

Kaylyn Kyle (l., Foto aus dem Jahr 2014) übte harsche Kritik an den USA.

Doch der Reihe nach. Kyle sagte mit Blick auf das Jubelverhalten der Amerikanerinnen unter anderem: "Als Kanadier würden wir nie daran denken, so etwas zu tun. Für mich ist es respektlos und schändlich. Hut ab vor den Thailänderinnen, dass sie ruhig geblieben sind." Die Reaktionen im Netz auf die Worte der 30-Jährigen, die 2012 mit ihrem Heimatland Olympia-Bronze gewann, ließen nicht lange auf sich warten. Und einige davon waren offenbar strafrechtlich relevant, sollten die Identitäten der Absender denn herausgefunden werden. Kyle jedenfalls schrieb auf ihrem Twitter-Account, Morddrohungen erhalten zu haben. In ihrem längeren Eintrag - sie postete ein Foto von einem mit einer Schreibmaschine verfassten Textstück - bat sie darum, ihre Kritik richtig zu verstehen.

Kritik via Twitter etwas relativiert

"Ich habe nie gesagt, dass man bei einer Weltmeisterschaft nicht so viele Tore wie möglich erzielen soll. Bitte schaut euch die ganze Aussage an! Ich habe genau das Gegenteil gesagt, das ist die Weltmeisterschaft! Du machst so viele Tore wie du kannst und nimmst den Fuß nicht vom Gaspedal. Was ich gesagt habe, ist, dass ich den Torjubel der Amerikanerinnen für übertrieben und respektlos hielt, nachdem sie das 8:0 erzielt hatten. Jeder darf seine Meinung zu meinen Gedanken zu Hundert Prozent äußern. Aber bitte lasst die Morddrohungen", schrieb die 30-Jährige. Sie kündigte an, dass sie sich nicht weiter zu diesem Thema äußern werde.

Auch Rustad ist empört

Kyle stand mit ihrer Kritik am Jubel der USA nicht allein. In Clare Rustad echauffierte sich eine weitere frühere kanadische Nationalspielerin, die auch für "TSN" tätig ist, ebenfalls über das Verhalten des Turnierfavoriten nach seinen Toren. "Das ist eine Schande für die Vereinigten Staaten. Ich hatte gehofft, dass sie mit Demut und Anstand gewinnen können. Aber die Tore zum 8:0, 9:0 und 10:0 so zu feiern, wie sie es getan haben, das ist wirklich unnötig", sagte die 36-Jährige. Und selbst der frühere US-amerikanische Fußball-Nationalspieler Taylor Twellman, der heute beim TV-Sender "ESPN" als Experte arbeitet, befand, dass die Freude nach dem 9:0 "einen bitteren Beigeschmack" habe.

Morgan: "Jedes Tor zählt bei diesem Turnier"

Szene aus der WM-Partie der Frauen zwischen USA und Thailand: Alex Morgan und Megan Rapinoe beim Torjubel. © imago images

Alex Morgan (l.) traf gegen Thailand fünfmal.

Die kritisierten amerikanischen Nationalspielerinnen konnten die ganze Aufregung indes nicht verstehen. "Selbstverständlich haben wir den größten Respekt vor allen unseren Gegnern - aber es ist die Weltmeisterschaft", sagte Rapinoe. Und Alex Morgan, die gegen die hoffnungslos überforderten Thailänderinnen gleich fünfmal erfolgreich war, ergänzte: "Jedes Tor zählt bei diesem Turnier. Und daran haben wir gearbeitet." Dass das Thema "unangemessener Torjubel" während der WM noch einmal hochkochen wird, erscheint nicht ganz ausgeschlossen. Der kommende Gegner des Titelverteidigers heißt am Sonntag (16.06.19, 18:00 Uhr) Chile. Und die Südamerikanerinnen sind in der FIFA-Weltrangliste als 39. sogar noch fünf Ränge schlechter platziert als Thailand...

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | FIFA Frauen WM 2019 | 08.06.2019 | 16:00 Uhr

Stand: 12.06.19 16:58 Uhr