Die chinesische Frauenfußball-Nationalspielerin Shuang Wang im Trikot von Paris Saint-Germain © imago/Imaginechina

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Shuang Wang - Eine Chinesin erobert Paris

von Hanno Bode, sportschau.de

Shuang Wang wird in China bereits mit der legendären Angreiferin Sun Wen verglichen. Die 24-Jährige gilt als derzeit beste Fußballerin ihres Landes. Und sie hat in Frankreich ein "Heimspiel": Seit 2018 steht die Offensivfrau bei Paris Saint-Germain unter Vertrag.

Es ist alles angerichtet an diesem Mittwoch des 16. Dezember 2015 im Superdome von New Orleans für eine rauschende Abschiedsparty für Abby Wambach. Nach 14 Jahren im Trikot der USA wird die Ausnahmestürmerin an diesem Abend ihre Nationalmannschaftskarriere mit dem Freunschaftsspiel gegen China beenden. 32.950 Zuschauer wollen den 255. und letzten Einsatz Wambachs für ihr Heimatland live in der Arena mitverfolgen. Unzählige Transparente mit Sympathiebekundungen für die zweimalige Olympiasiegerin und Weltmeisterin von 2015 hängen an den Stadionbalustraden. Kaum jemand rechnet vor dem Anpfiff damit, dass die internationale Rekordtorschützin (184 Länderspiel-Treffer) ihre Laufbahn im US-Team mit einer Niederlage beenden wird. Die Amerikanerinnen sind seit 104 Partien vor heimischer Kulisse ungeschlagen. Gegen China hat es die bis dato letzte Pleite 2003 gegeben. Was soll da schon schiefgehen?

Partycrasher bei Wambach-Abschied

Die chinesische Frauenfußball-Nationalspielerin Shuang Wang © imago images / Xinhua

Shuang Wang gilt als derzeit beste chinesische Fußballerin.

Dann aber spielt eine junge Frau namens Shuang Wang den Partycrasher. In der 58. Minute ist die damals 20-Jährige per Direktabnahme zum 1:0 erfolgreich. Es bleibt das einzige Tor der Partie. Natürlich gehören die Schlagzeilen anschließend dennoch der amerikanischen Fußball-Heldin Wambach. Aber auch über Wang wird viel gesprochen und berichtet. Nicht nur ihres Treffers wegen, sondern weil sie mit ihrer unbeschwerten Art und ihrer tollen Technik Eindruck hinterlassen hat. Beispielsweise bei englischen Klubs, die sie gerne verpflichten möchten. Doch der chinesische Verband schiebt einem Wechsel einen Riegel vor. Wang soll vorerst weiter in ihrer Heimat spielen, damit sie sich optimal mit der Nationalmannschaft auf die Olympischen Spiele 2016 in Rio vorbereiten kann. Dalian Quanjian F.C. statt Arsenal oder Manchester City heißt es damit für die hochveranlagte Offensivfrau.

"Lady Messi" führt Team nach Frankreich

Sie beugt sich dem Diktat des Verbandes und sieht es rückblickend sogar als Glücksfall für sich an, nicht in noch jüngeren Jahren nach Europa gewechselt zu sein. Das "harte Training" mit dem Nationalteam und die Turniere mit der Auswahl hätten ihr sehr weitergeholfen, sagte sie der staatlichen Nachrichtenagentur "Xinhua": "Ich bin dadurch besser geworden, habe an Erfahrung gewonnen, mehr Selbstvertrauen bekommen und auch eine gute Mentalität entwickelt." Wang gewinnt mit Dalian Quanjian zwei Meisterschaften und hat mit vier Toren beim Asien Cup 2018 auch großen Anteil am dritten Platz Chinas, der gleichbedeutend mit der WM-Qualifikation ist. In ihrer Heimat wird die Edeltechnikerin mit Superstar Lionel Messi verglichen und beinahe ehrfurchtsvoll "Lady Messi" genannt. Die 24-Jährige selbst bewundert allerdings einen anderen Ausnahmekönner: Cristiano Ronaldo. "Ich mag ihn wegen seiner Leidenschaft für das Spiel und seiner Professionalität", erklärt sie.

Glückloses Intermezzo in Südkorea

Die chinesische Frauenfußball-Nationalspielerin Shuang Wang © imago/Imaginechina

In China ein Star, in Südkorea unglücklich: Shuang Wang.

Ein Wechsel zu Ronaldos Brötchengeber Juventus Turin hat sich bis dato für Wang allerdings noch nicht ergeben. Stattdessen spielt sie seit einem Jahr im selben Verein wie der begabte Brasilianer Neymar: Paris Saint-Germain. "Ich bin stolz darauf, dass PSG mich verpflichtet hat. Ich kann mich ein Jahr früher an Paris gewöhnen. Das wird mir bei der Weltmeisterschaft helfen", hatte sie nach der Unterschrift unter einen Zweijahresvertrag gesagt. Sie war von ihrem Heimatverein, den Wuhan Ladies, an die Seine gekommen. "Ich möchte mich auf einem höheren Niveau messen, sehen, wie weit ich von den europäischen Spielerinnen entfernt bin und schauen, wo ich mich verbessern kann", hatte die damals 23-Jährige erklärt.

Aus diesem Satz klang Skepsis, es in der Fremde schaffen zu können. Zumal die Offensivfrau schon eine schlechte Auslandserfahrung hinter sich hatte, als sie das Paris-Abenteuer anging. 2013 war sie nach Südkorea zu Gumi Sportstoto WFC gewechselt. Ein Ermüdungsbruch im Fuß hatte Wang seinerzeit schwer zu schaffen gemacht. Und offenbar auch die Lebensumstände fernab der Heimat. "Es war keine erfolgreiche Zeit", sagt Asiens "Fußballerin des Jahres" 2018.

Wang schreibt Champions-League-Geschichte

In der Weltstadt Paris fühlte sich die Chinesin schneller heimisch als damals in der südkoreanischen Provinz. Wohl auch, weil sie von ihrem neuen Klub äußerst herzlich und mit viel medialem Tamtam empfangen wurde. Dass Wang fünf Tage nach ihrer Ankunft an der Seine bei ihrem Debüt für PSG gleich erfolgreich war, verschaffte ihr zudem gleich ein gutes Standing im Team. Und bei der Presse. "Chinesin Shuang Wang erobert Paris", lautete beispielsweise die Schlagzeile der "Le Parisien". "Ich war ziemlich nervös. Es war ein guter Anfang", sagte Wang nach ihrem Einstand. Es folgten bis heute viele weitere gute Auftritte der 24-Jährigen. So beim 2:0-Sieg von PSG in der Champions League gegen Linkoping FC, als Wang den Endstand erzielte und damit Geschichte schrieb. Es war das erste Tor einer chinesischen Fußballerin überhaupt in der "Königsklasse".

Legende Wen: "Sie braucht noch Zeit"

Die frühere chinesische Fußball-Nationalspielerin Sun Wen (l.) © imago/Imaginechina

Sun Wen (l.) wurde mit China Olympia-Zweite und Vize-Weltmeisterin.

Wangs Popularität in ihrer Heimat wächst mit jedem Treffer. Sie wird im Reich der Mitte bereits mit der legendären Angreiferin Sun Wen verglichen, die mit China 1996 Olympia-Silver gewann und drei Jahre später Vize-Weltmeisterin wurde. Doch die viermalige WM-Teilnehmerin hat so ihre Zweifel, dass Wang bereits in Frankreich in der Lage sein wird, konstant auf Weltklasse-Niveau zu spielen. Die 24-Jährige sei zwar eine "sehr talentierte Spielerin", aber sich brauche noch Zeit, "um sich weiterzuentwickeln", erklärte Wen. In dasselbe Horn stieß auch Nationaltrainer Jia Xiuquan: "Sie ist noch ziemlich jung. Und ich glaube, dass sie noch viel Potenzial hat, sich zu verbessern, um ein echter internationaler Star zu werden."

Und Wang selbst? Sie versucht auszublenden, Hoffnungsträgerin einer ganzen Fußball-Nation zu sein. "Ich versuche entspannt zu bleiben und mir nicht zu viel Druck zu machen, wann immer es möglich ist", erklärte die 24-Jährige. Nun wird dies in Frankreich, bei ihrer "Heim-WM", vermutlich nicht immer möglich sein. Doch sie hat ja schon bewiesen, auch vor großen Kulissen ganz cool bleiben zu können. Beispielsweise an jenem 16. Dezember 2015 in New Orleans...

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | FIFA Frauen WM 2019 | 08.06.2019 | 16:00 Uhr

Stand: 08.05.19 11:17 Uhr