Porträt
Voss-Tecklenburg: Ehrgeizig, mutig, konsequent
von Florian Neuhauss
Schon Gero Bisanz sagte: "Martina weiß genau, was sie will und gibt nie auf. Sie ist eine Persönlichkeit auch außerhalb des Platzes." Nun ist Martina Voss-Tecklenburg Bundestrainerin - das könnte passen.
Um Worte ist Martina Voss-Tecklenburg eigentlich nie verlegen. Als sie jedoch nach den Qualitäten gefragt wird, die sie persönlich zu einer erfolgreichen WM-Mission beisteuern könnte, gerät die 51-Jährige kurz ins Stocken. Dann sagt sie mit einem breiten Lächeln: "Von mir braucht's das, was ich sowieso bin." Die Freude und den Stolz, mit Deutschland eine WM spielen zu dürfen, wolle sie ihrer Mannschaft vermitteln, den Spielerinnen einen klaren Plan und ganz viel Vertrauen mitgeben, alle Menschen in und um das Team mitnehmen. Und dann seien da noch Humor und Selbstironie: "Ich kann sehr gut auch über mich selber lachen."
Die neue Bundestrainerin weiß, dass mit zu viel Verbissenheit noch die wenigsten Ziele erreicht worden sind. Und doch steht fest: Sie muss liefern. Beim Amtsantritt ihrer Vorgängerin Steffi Jones hatte "MVT" Kritik daran geübt, eine so unerfahrene Trainerin mit solch einer großen Aufgabe zu betreuen - und sich für die Zukunft gleich selbst als Kandidatin ins Gespräch gebracht. Jetzt, rund vier Jahre und das enttäuschende Viertelfinal-Aus bei der EM in den Niederlanden später, soll die gebürtige Duisburgerin die DFB-Frauen zu Erfolgen bei der WM in Frankreich führen. Das offizielle Ziel ist die Olympia-Qualifikation, doch beim Deutschen Fußball-Bund schielt man bei jedem Turnier auch immer auf den Titel.
Und wer könnte da besser geeignet sein, als Martina Voss-Tecklenburg, über die der erste Frauen-Bundestrainer Gero Bisanz einmal sagte: "Sie weiß genau, was sie will und gibt nie auf. Sie ist eine Persönlichkeit auch außerhalb des Platzes."
Von den Straßen Duisburgs in die Hall of Fame
Martina Voss-Tecklenburg gewann in ihrer Spielerkarriere gleich viermal den DFB-Pokal.
Alles begann mit einem Kampf - mit ihrer Mutter, um ihren Fußballtraum. Frau Voss verbot ihrer Tochter nämlich zunächst, in einem Verein zu spielen. Deshalb lernte die das Kicken auf den Straßen ihrer Heimatstadt. Aber womöglich war es eben diese harte Schule, die aus ihr eine Weltklassespielerin werden ließ. Anders ist ihre rasante Karriere kaum zu erklären: Nur wenige Monate nach ihrem Debüt beim KBC Duisburg als 15-Jährige feierte das Team 1983 den DFB-Pokalsieg, ein Jahr später debütierte sie in der Nationalmannschaft und 1985 folgte der erste deutsche Meistertitel. Insgesamt stehen sechs Meisterschaften und vier Pokalsiege in der Vita der Mutter einer Tochter, dreimal war sie Deutschlands Fußballerin des Jahres. 125-mal spielte sie für ihr Land und wurde viermal Europameisterin. Nicht von ungefähr ist Voss, die seit ihrer Hochzeit im Herbst 2009 Voss-Tecklenburg heißt, Teil der ersten Hall of Fame des deutschen Frauenfußballs.
Bitteres Ende als Spielerin beim DFB
Doch ihre Nationalmannschaftskarriere endete mit einem Paukenschlag, als Tina Theune-Meyer sie aus dem Aufgebot für Olympia 2000 strich. Dabei ging es nicht um sportliche Gründe, die damalige Bundestrainerin fürchtete um "die starke Einheit" ihrer Mannschaft. Vorausgegangen war das Ende der mehrjährigen Beziehung von Voss und ihrer Lebensgefährtin Inka Grings, die auch im Nationalteam spielte. Aus Voss' Sicht war die Ausbootung "der absolute Horror und unfassbar", wie sie damals dem "kicker" sagte. Kurz darauf legte sie im "Spiegel" nach: "Vielleicht liegt es ja daran, dass das Präsidium von Männern dominiert wird - und die denken in Sachen Homosexualität ja eher konservativer als Frauen."
Trotz der Unstimmigkeiten bekam die Duisburgerin drei Jahre später, als sie im Alter von 35 Jahren ihre verletzungsreiche Karriere beendete, vom DFB ein Abschiedsspiel. Die Streitigkeiten waren beigelegt, das Verhältnis zu Theune beschrieb sie später als "kollegial".
- Teil 1: "MVT" zur richtigen Zeit am richtigen Ort?
- Teil 2: Klarer Plan fürs Team und klare Ansagen
Stand: 04.06.19 10:28 Uhr