Mehrere Fußball-Nationalspielerinnen von Kamerun stehen zusammen mit einer Schiedsrichterin im Mittelkreises des Platzes beim WM-Spiel gegen England. © imago images

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Kameruns "Streik" gegen England erhitzt die Gemüter

Das Achtelfinale zwischen England und Kamerun war das bislang turbulenteste WM-Spiel. Den "Streik" der Afrikanerinnen nach zwei Videobeweis-Entscheidungen nannte Englands Trainer "eine Schande".

Die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Frankreich dauert noch bis zum 7. Juli. Doch als eines der Bilder der WM - das steht schon jetzt fest - wird am Ende der Kurzzeit-Streik der kamerunischen Nationalspielerinnen im Mittelkreis in Erinnerung bleiben. Am Sonntagabend (23.06.19) wollten die "unbezingbaren Löwinnen" in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit des Achtelfinals gegen England (0:3) nicht akzeptieren, dass nach Videobeweis der Treffer zum zwischenzeitlichen 0:2 durch Ellen White (45.+4) anerkannt wurde - zunächst war fälschlicherweise auf Abseits entschieden worden. Die Folge: Bis zum Wiederanstoß in Valenciennes vergingen mehrere Minuten, in denen Kapitänin Gabrielle Aboudi Onguene immer verzweifelter - und am Ende mit Erfolg - versuchte, ihre Mitspielerinnen zum Weitermachen zu überreden.

Neville: "Ich schäme mich für unseren Gegner"

Eine Hauptrolle in dieser Partie spielte ein Mann, der gar nicht auf dem Platz im Stade du Hainaut stand: Videoschiedsrichter Bastian Dankert aus Rostock mischte sich von Paris aus insgesamt viermal ins Geschehen ein: bei dem Tor zum zwischenzeitlichen 2:0, sowie nach der Pause bei einem vermeintlichen Treffer Kameruns (48.), einem möglichen Elfmeter für England (77.) und einer möglichen Roten Karte gegen Kamerun (90.+9).

Englands Trainer Phil Neville sprach hinterher von einer Schande - bezog sich damit aber explizit nicht auf Dankert. "Ich schäme mich zutiefst für unseren Gegner", kommentierte der Ex-Profi von Manchester United die kurzzeitige Arbeitsverweigerung und die wüsten Proteste der Afrikanerinnen in Richtung der chinesischen Schiedsrichterin Liang Qin: "Beim Start meiner Trainerkarriere hat Arsene Wenger zu mir gesagt, dass die Mannschaft den Coach widerspiegelt. Wenn das meine Spielerinnen gewesen wären, würden sie nie mehr für England spielen."

Nach Nchouts "Nicht-Tor" kippt die Stimmung erneut

Der 59-malige englische Nationalspieler hatte keinerlei Verständnis für das Verhalten der Kamerunerinnen, die seiner Meinung nach ihrer Vorbildrolle nicht gerecht wurden - strittige Videobeweis-Entscheidungen zu Beginn der K.o.-Phase hin oder her. "Die Fortsetzung der Begegnung stand mehrfach auf der Kippe. Das Ganze hatte nichts mit Fußball zu tun. Das war eines WM-Achtelfinals nicht würdig. Ich konnte die Partie nicht genießen, meine Spielerinnen konnten die Partie nicht genießen", sagte Neville. "Das Spiel wurde weltweit übertragen. Alle jungen Fußballerinnen auf dem Planeten konnten dieses Verhalten sehen."

Nach dem "Kurzzeit"-Streik zum Ende der ersten Halbzeit war die Stimmung bei den Kamerunerinnen erneut gekippt, als der Anschlusstreffer durch Ajara Nchout (48.) nach Videobeweis zu Recht wegen einer knappen Abseitsstellung zurückgenommen wurde. Die vermeintliche Torschützin brach daraufhin in Tränen aus und schien dem Zusammenbruch nahe, auf dem Platz wie an der Seitenlinie arteten die Proteste aus. Doch zu einem Boykott der verbleibenden Spielzeit kam es nicht.

Videobeweise ohne Ende ...

Wer gedacht hatte, dass die WM-Vorrunde in Frankreich mit insgesamt 17 Videoschiedsrichter-Überprüfungen und den daraus resultierenden Diskussionen in den K.o.-Rundenspielen nicht mehr zu toppen sei, dürfte nicht nur durch das England-gegen-Kamerun-Spiel eines Besseren belehrt worden sein. Die Deutschen hatten bei ihrem Sieg gegen Nigeria (3:0) beim Führungstor durch Alexandra Popp (20.) Glück - ob Svenja Huth im aktiven oder passiven Abseits stand, war diskutabel.

Bei der Partie zwischen Norwegen und Australien (4:1 im Elfmeterschießen) konferierte die deutsche Schiedsrichterin Riem Hussein aus Bad Harzburg minutenlang mit ihrem Video-Assistenten Felix Zwayer (Berlin) wegen eines Handspiels im Strafraum. Und beim Spiel von Gastgeber Frankreich gegen Brasilien (2:1 nach Verlängerung) wurde der vermeintliche Führungstreffer durch Valerie Gauvin (23.) nach fünfminütiger Diskussion zurückgenommen, weil sie Torfrau Bárbara beim Abschluss behindert hatte.

Immerhin hatte der Weltverband FIFA schon als Zwischenfazit nach der Vorrunde eingeräumt, dass nicht alles rund gelaufen sei. "Ich muss zugeben, dass ein paar Fehler gemacht worden sind", hatte Schiedsrichter-Boss Pierluigi Collina gesagt: "Das ist zwar verständlich, aber es sollte nicht passieren. Ich bedauere das."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | FIFA Frauen WM 2019 | 23.06.2019 | 17:15 Uhr

Stand: 24.06.19 13:19 Uhr