Die nigerianische Nationalspielerin Osinachi Ohale © imago images / Xinhua

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Frauen-WM: Was vom Tage übrig bleibt ...

Die Weltmeisterschaft der Frauen in Frankreich ist auf der Zielgeraden. Das Turnier ist ein Erfolg. Doch was bleibt für die Entwicklung des Frauenfußballs in den WM-Teilnehmerländern davon übrig?

Freude. Unendliche Freude. Als die nigerianischen Fußballerinnen am späten Abend des 20. Juni erfuhren, dass sie bei der WM in Frankreich im Achtelfinale auf Deutschland treffen, tanzten und sangen sie auf den Fluren ihres Mannschaftshotels. Drei Tage später war die Stimmung bei den "Super Falcons" gekippt. Und das gründete nicht auf der wenig überraschenden Niederlage des Außenseiters gegen das DFB-Team. Mit einem Sitzstreik im Foyer der Herberge in Grenoble wollten die Spielerinnen auf einen bereits lange andauernden Prämienstreit mit der Nigeria Football Federation (NFF) aufmerksam machen. Darüber hatten bis dato lediglich die heimischen Medien berichtet. Und das auch nur recht oberflächlich. Also bot sich den Kickerinnen von Coach Thomas Dennerby nun so kurz vor der Abreise aus Frankreich die letzte Chance, mit einer außergewöhnlichen Aktion eine größere Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen. Es gelang. Die internationalen Medien berichteten ausführlich über das Aufbegehren der nigerianischen Frauen gegen die Verbandsspitze, auf die der Druck so zumindest kurzfristig wuchs.

Australien lehnt sich gegen FIFA auf

"Zeit, dass sich was dreht", hieß der offizielle FIFA-Song zur Männer-WM 2006 in Deutschland. Und getreu diesem Motto versuchten nun 13 Jahre später in Frankreich nicht nur die nigerianischen Fußballerinnen, das große mediale Interesse an dem Frauen-Turnier dafür zu nutzen, Missstände ans Tageslicht zu bringen. Den Anfang machte dabei das australische Team bereits, als die Weltmeisterschaft noch gar nicht begonnen hatte. Die "Matildas" forderten die FIFA auf, die Prämien für die Titelkämpfe in Frankreich nahezu zu verdoppeln. Sie verwiesen dabei auf die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in Bezug auf die Geldausschüttungen. Es stand sogar die Drohung im Raum, den Weltverband vor Gericht zu ziehen. Es passierte zwar bisher: nichts. Aber zumindest war damit die Diskussion um "Equal Pay" in Gang gesetzt.

Hegerberg und Co. kämpfen um bessere Bezahlung

Nun ist diese nicht neu. Die norwegische Starstürmerin Ada Hegerberg hatte ihren Protest gegen die ihrer Meinung nach zu schlechte Bezahlung der Fußballerinnen ihres Landes durch den heimischen Verband bereits vor zwei Jahren mit ihrem Rücktritt aus dem Nationalteam untermauert. Auch die Frauen von Vize-Europameister Dänemark setzten diesbezüglich vor geraumer Zeit ein deutliches Zeichen, indem sie zu einem Länderspiel nicht antraten. Verbunden war die Forderung nach mehr Geld jeweils mit der nach mehr Anerkennung und Respekt durch die Verbände. Auch Deutschlands Nationalkeeperin Almuth Schult übte vor WM-Beginn Kritik an den Zuständen im Deutschen Fußball-Bund. Der Zeitpunkt war günstig gewählt. Denn noch immer steht der Frauenfußball in den meisten Ländern deutlich im Schatten des Männerfußballs - es sei denn, es ist gerade eine Weltmeisterschaft. Richtig Gehör finden Schult und Co. mit ihren Anliegen häufig nur vor und während der Großturniere.

"Reggae Girlz" bald wieder nur Randnotiz?

In diesem Bewusstsein sind starke Worte vonnöten, um Aufmerksamkeit zu erregen. Dessen war sich auch Hue Menzies bewusst, als er nach dem Frankreich-Abenteuer mit Jamaikas Frauen wieder auf der Karibik-Insel zurückgekehrt war. Noch am Flughafen forderte der Trainer den Verband auf, den "Reggae Girlz" künftig mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Seine Mannschaft müsse sich mehr mit Teams aus Europa messen und brauche eine bessere Vorbereitung, um sich stetig verbessern zu können. Die jamaikanischen Medien berichteten ausführlich über den flammenden Appell des 55-Jährigen. Doch nur wenige Tage später war von den "Reggae Girlz" in den lokalen Zeitungen bereits nicht mehr viel zu lesen.

Rapinoe ist nachhaltige Aufmerksamkeit sicher

Schnell in Vergessenheit zu geraten, darum braucht sich Megan Rapinoe unabhängig vom Abschneiden der Amerikanerinnen in Frankreich wohl keine Sorgen zu machen. Ihre Abneigung gegen US-Präsident Donald Trump war zwar bereits vor Turnierbeginn bekannt. Doch nun nutzte sie die großen Fußball-Bühne dazu, ihren verbalen Kleinkrieg mit dem mächtigsten Mann der Welt weiter zu forcieren. So kündigte die Angreiferin im Falle der Titelverteidigung an, auf einen Empfang bei Trump in jedem Fall verzichten zu wollen: "Ich gehe nicht in das beschissene Weiße Haus". Rapinoe, die sich für Minderheiten und gegen Homophobie einsetzt, bekam für ihre klaren Worte unter anderem von ihrer Mitspielerin Ali Krieger Zuspruch. Jene Krieger also, die den Weltmeister nach dem 3:0 gegen Chile als "beste und auch zweitbeste Mannschaft der Welt" bezeichnete. Das Echo auf diese überhebliche Äußerung war groß. Und wohl auch gewollt. Denn längst sind auch Fußballerinnen Ich-AGs, die sich über soziale Medien perfekt vermarkten. Und: Desto mehr Aufmerksamkeit, desto mehr Likes ...

Zwischen Kalkül und Korruption

Es ist also zuweilen wohl auch Kalkül im Spiel, wenn sich dieser Tage in Frankreich Fußballerinnen mit mehr oder weniger interssanten Aussagen zu Wort melden. Im Falle der "Super Falcons" ist allerdings davon auszugehen, dass der Sitzstreik einfach ein Zeichen völliger Verzweiflung war. Jedenfalls wurde am Montag (01.07.19) vermeldet, dass gegen vier Verbandsfunktionäre des nigerianischen Fußball-Verbandes Haftbefehl erlassen worden ist. Ihnen und dem legitimierten NFF-Präsidenten Amaju Pinnick wird unter anderem vorgeworfen, 8,4 Millionen US-Dollar veruntreut zu haben. Pinnick hatte nach dem Sitzstreik seiner Fußballerinnen öffentlich erklärt, alle vereinbarten Zahlungen (etwa 5.000 US-Dollar pro Kickerin) an das Team geleistet zu haben. Ob dem wirklich so ist, darf nach den neuesten Entwicklungen zumindest angezweifelt werden ...

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | FIFA Frauen WM 2019 | 03.07.2019 | 20:15 Uhr

Stand: 02.07.19 16:25 Uhr