Die schwedische Nationalspielerin Nilla Fischer während einer Trainingseinheit. © imago images

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Nilla Fischer - Eine Nationalspielerin mit Haltung

Nilla Fischer, Abwehrspielerin der schwedischen Nationalmannschaft, ist eine hervorragende Fußballerin. Im WM-Viertelfinale gegen Deutschland trifft sie - nach sechs Jahren in der Bundesliga - auf viele alte Bekannte. Doch Fischer ist nicht nur auf, sondern auch abseits des Platzes ein Vorbild. Mit unermüdlichem Einsatz kämpft sie gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und für Frauenrechte.

34 Jahre alt, 1,76 m groß, Abwehrspielerin mit 23 Toren in 179 Länderspielen. Diese Zahlen beschreiben vielleicht die Fußballerin Nilla Fischer, aber ganz sicher nicht den Menschen Nilla Fischer. Denn die am 2. August 1994 geborene Frau ist viel mehr als nur eine bekannte Sportlerin aus Schweden. In ihrem Heimatland ist sie eine Symbolfigur für den Kampf gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und für die Rechte von Frauen.

Ihr Engagement außerhalb des Fußballplatzes brachte ihr aber nicht nur Anerkennung ein, sondern bescherte ihr auch schon Morddrohungen und Hass-Mails. Zu Beginn der WM in Frankreich erreichte sie die Nachricht, dass eine Statue von ihr vor dem Stadion in Linköping zerstört worden war. "Inakzeptabel" und "respektlos" nannte sie die Vandalismus-Attacke auf ihr Abbild, das ein Sponsor aufgestellt hatte.

"Ich weiß, dass meine Meinung etwas zählt"

Von ihrem kämpferischen Einsatz gegen Homophobie und für Gleichberechtigung lässt sich die Frau mit der markanten blonden Kurzhaarfrisur trotzdem nicht abbringen. Fischer ist seit 2013 mit ihrer Frau Mariah-Michaela verheiratet. Und ihr vor eineinhalb Jahren geborener Sohn Neo soll - so ihr großer Wunsch - in einer Welt aufwachsen, in der die Diskriminierung von Homosexuellen und Frauen keinen Platz mehr hat.

Eigentlich, erzählte Fischer der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", sei sie früher kein sonderlich kämpferischer Menschen gewesen. "Wo ich jetzt schon über 30 bin, weiß ich, wer ich bin. Und ich weiß, dass meine Meinung etwas zählt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob du heterosexuell oder lesbisch oder was auch immer bist. Man kann immer seine Meinung sagen, und es würde helfen, wenn möglichst viele Menschen das tun."

Die Regenbogen-Kapitänin

Zur neuen Saison wechselt die Innenverteidigerin nach sechs Jahren und 189 Pflichtspielen (19 Tore) beim Bundesligisten VfL Wolfsburg aus familiären Gründen zurück zum FC Linköping nach Schweden. "Nilla Fischer hat sich enorme Verdienste um den VfL Wolfsburg erworben", lobte der Sportliche Leiter Ralf Kellermann beim Abschied im Mai. Doch auch während ihrer Zeit in Wolfsburg hinterließ sie nicht nur sportliche Spuren - unter anderem lief sie als Kapitänin mit der Regenbogen-Binde auf. Sämtliche VfL-Teams folgen seit vergangenem Sommer ihrem Vorbild und werben nun bei jedem Spiel auf diese Weise für Toleranz und Akzeptanz. "Ein klar sichtbares Zeichen gegen Ausgrenzung und für Vielfalt im Fußball", wie der Verein erklärte.

Nebenbei gewann die Abwehrchefin zehn Titel mit den Wölfinnen. Nationaltorhüterin Almuth Schult, all die Jahre Fischers Zimmerpartnerin, bezeichnete sie als "eine der besten Verteidigerinnen der Welt" und betonte: "Ich freue mich, dass wir noch einmal gegeneinander spielen. Wer weiß, wie oft das noch passiert."

Der Traum vom großen Erfolg mit dem Nationalteam

Die schwedische Nationalspielerin Nilla Fischer (r.) während eines Spiels beim Torjubel mit ihren Mannschaftskameradinnen. © imago images

Nilla Fischer (r.) will mit den Schwedinnen endlich einmal bei einer WM gegen Deutschland gewinnen.

Bei der WM in Frankreich treffen das DFB-Team und Schweden am Samstag (29.06.19, 18.30 Uhr, live im Ersten und auf sportschau.de) im Viertelfinale im Roazhon Park in Rennes aufeinander. Fischer möchte bei ihrer wohl letzten WM weiter den Traum von einem großen Erfolg mit dem schwedischen Nationalteam leben. Dafür muss - in ihrem 180. Länderspiel - endlich ein Sieg gegen die deutsche Mannschaft her. Gegen den zweimaligen Weltmeister hat Fischer schon zwei bittere Niederlagen einstecken müssen: 2016 im Olympia-Finale von Rio (1:2), drei Jahre zuvor bei der Heim-EM in Schweden im Halbfinale (0:1). 

Gegen die DFB-Auswahl haben die Schwedinnen ohnehin eine schwarze Serie: Seit 1995 konnten sie kein Pflichtspiel mehr gewinnen. "Es fühlt sich an, als würden wir seit Jahren sagen, dass es jetzt an der Zeit ist. Aber es geht letztlich nur darum, alles zu geben im Viertelfinale", sagte Fischer der schwedischen Zeitung "Aftonbladet". Beim VfL spielte Fischer neben Schult auch mit den deutschen Nationalspielerinnen Lena Goeßling, Sara Doorsoun und Alexandra Popp zusammen.

Jetzt steht die Familie im Mittelpunkt

Aber auch wenn es nicht klappen sollte mit dem ersehnten Sieg gegen den Angstgegner: Fischer weiß mittlerweile, dass es viel Wichtigeres gibt als den Fußball. Die Entscheidung für den Wechsel zurück nach Schweden habe sie als Mutter getroffen - und nicht wie sonst immer als Fußballerin. "Für uns wichtig ist, dass unser Sohn im familiären Umfeld aufwächst."

Dem schwedischen Sender TV4 berichtete sie, wie schwer der Spagat für sie als Familienmensch war und ist. Ganz besonders, als ihre Frau zwei Fehlgeburten erlitt. "Das war nicht die beste Zeit", sagte Fischer im Rückblick unter Tränen. "Manchmal verstehe ich selbst nicht, dass man den Fußball so hoch hängt und immer wichtiger nimmt als die, die am meisten bedeuten. Das ist etwas, das ich heute vielleicht anders machen würde."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | FIFA Frauen WM 2019 | 29.06.2019 | 14:15 Uhr

Stand: 27.06.19 17:12 Uhr